Sehr geehrte Frau Sektionschefin Mag. Ecker, sehr geehrte Frau Dr. Seeber, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!

Um mich wirklich ehrlich über die soeben erhaltene Auszeichnung und über diesen Festakt freuen zu können, muß ich „das alles“ und vor allem mich dazu wenigstens für kurze Zeit aus der Gleichzeitigkeit aller schrecklichen Geschehnisse, die gerade weltweit und insbesondere im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsdrama passieren, herausnehmen und mich/uns isolieren. Denn anders wäre dies hier alles nur als eine Farce erlebbar und somit unvereinbar in seiner uns bewußten Gegensätzlichkeit.

Deshalb sollten wir doch kurz ins Bewußtsein rücken, was seit Monaten, ja seit Jahren tagtäglich passiert und wie alles nebeneinander und miteinander abläuft. Daß Europa, ja die Welt (UNO), einzelne Staaten und Staatsführer hier nicht nur versagt haben, sondern oft zynisch bzw. gar nicht handeln, ist evident. Daß es ein grausames Spiel der Mächte und ein Spiel um Macht gibt, wissen wir. Ebenso, daß menschliche Grundwerte mißachtet und Wertmaßstäbe verschoben oder ignoriert wurden und werden. Daß aber auch gleichzeitig in großartiger Weise so viele Menschen für Menschen eintreten, ist ebenso wahr und der einzige Lichtblick. Wenn ich das jetzt so sage, geht es mir nicht um eine Anklage oder um einen Appell, sondern darum, auf die Gleichzeitigkeit von Schönem und Schrecklichem hinzuweisen; auf dieses Phänomen der Gleichzeitigkeit, das es in der Welt und im Leben gibt. Ich finde dies am besten in den Versen von Rilkes Erster Duineser Elegie ausgedrückt, wo am Beginn der Satz steht: „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.“ Es war nach dem Krieg, etwa 1945/46, als ich diesen Satz zum ersten Mal von einem russisch-jüdischen Offizier der Sowjetarmee in unserem Haus hörte, von ihm in strammer Haltung rezitiert; seither begleitet mich dieser Satz durchs Leben. Damals Millionen Kriegstote und im Holocaust Ermordete; und Europa zerstört. Heute gibt es wiederum wiederum Kriege, hunderttausende Tote, 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt. 25.000 Menschen sind auf der Flucht allein im Mittelmeer ertrunken. Und wird sind hier und feiern in einem prächtigen goldenen Saal, und wir Geehrten bekommen ein Ehrenkreuz und ein Ehrenzeichen. Nehmen wir uns also jetzt in einem bewußten Akt aus dem Kontext der Gleichzeitigkeit heraus, um hier und jetzt guten Gewissens bei dieser Feier anwesend und entspannt sein zu können.

 

Lassen Sie mich nun einige Worte des Dankes sprechen! Ich danke all jenen, die mitgewirkt haben, daß ich diese Auszeichnung erhalten durfte. Ich danke den Initiatoren, den SachbearbeiterInnen, dem zuständigen Bundesministerium, dem Herrn Bundespräsidenten, der Republik Österreich.

 

Ich danke Ihnen, sehr geehrte Frau Sektionschefin Mag. Ecker, für die Überreichung der Insignien, ich danke Dir, lieber Gerhard Ruiss, für Deine treffende Laudatio, ich danke Euch, meine lieben Dubrovački Kavaljeri, für die Lieder, für diese Musik, die mich schon mehr als 50 Jahre in meinem Leben begleitet und mir zu Herzen geht, weil sie etwas ausdrückt, was ich als Sehnsucht empfinde und was auch in meiner Erinnerung verankert ist.

 

Ich danke meinen Eltern, die mich und meine neun Geschwister nicht nur aufgezogen, sondern uns Lebensgrundwerte vermittelt und mitgegeben haben, indem sie diese Werte - Charakter, Haltung, Pflichtbewußtsein, Aufrichtigkeit, Mitmenschlichkeit - in ihrem Leben vorbildlich gelebt haben. Ich danke allen Weggefährten, all den Freundinnen und Freunden, die mir Neues und andere Ansichten von Mensch und Welt gezeigt haben. Ich danke allen meinen Übersetzern und Übersetzerinnen. Ich danke allen Menschen, die mich in Freundschaft begleitet haben und noch immer begleiten. Vor allem danke ich meiner Lebensgefährtin und Ehefrau Susanne (und ihrer Mutter). Wir sind seit fast 35 Jahren als Familie zusammen, und ohne sie stünde ich jetzt nicht hier.

 

Und nicht zuletzt möchte ich allen Personen und Institutionen danken, die es mir ermöglicht haben, daß es meine Literatur, vor allem meine Lyrik, als Bücher in mehr als 20 Sprachen publiziert gibt; und ich sie in fast allen diesen Ländern mit zweisprachigen Lesungen präsentieren konnte. Dafür sowie für die finanzielle Unterstützung meiner Existenz und somit meiner schriftstellerischen Arbeit bedanke ich mich ganz herzlich bei den zuständigen Ministerien und deren AbteilungsleiterInnen, aber auch bei meinem Heimatland Oberösterreich, gleichfalls beim Land Niederösterreich und dem Burgenland. Ebenso bedanke ich mich beim Österreichischen P.E.N.-Club, der mich als Delegierter auf Reisen geschickt hat, zu Kongressen, Tagungen, Schriftstellertreffen etc. Und zum Schluß bedanke ich mich bei der Literar-Mechana und unserer IG Autorinnen Autoren, deren Vorstand ich seit etwa zwei Jahrzehnten angehöre.

 

„Wo woar denn do mei Leistung?“ (Meischberger) - könnte und müßte ich vielleicht noch fragen. Nämlich jene Leistung, für die ich diese Auszeichnung „für Verdienste um die Republik Österreich“ erhalten habe. Ich weiß darauf keine rechte Antwort. Ich habe nichts Großartiges geleistet, nichts Spektakuläres vollbracht. Naja, ich habe 45 Bücher in 20 Sprachen publiziert, habe etwa 4.500 Gedichte - auch viele schlechte darunter - geschrieben, ebenso Essays, Erzählungen, einfache, keine weltbewegenden. Ich habe 180 Ausstellungen organisiert und viele davon mit Texten von mir eingeleitet. Ich habe selber mehr als 100 Fotoausstellungen in Städten und Ländern Europas und zu vielen Themen gemacht. Ich war international kulturvermittelnd und kulturpolitisch tätig; das stimmt. Aber wo und was war denn nun wirklich meine Leistung? Nun ja, vielleicht lag sie in dem, daß ich mein Leben so lebte wie ich es eben lebe.

 

Ich war nie ein Anhänger irgendeiner Ideologie, ich war nie ein Gefolgsmann, schon gar kein stummer Mitläufer; nein, ich war ja „renitent“, wie meine BDM-Erzieherin und meine klerikalfaschistoiden Präfekten und Professoren in den Internaten und Gymnasien in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts das nannten. Ich war ein Widerspruchsgeist und dann konsequenterweise in Folge davon ein Widerständler geworden. Ich fühlte und fühle mich noch immer zu mehr hingezogen und verpflichtet als nur zu dem, was meinen privaten Lebensbereich ausmacht. Ich brenne noch immer, obwohl ich schon längst am untersten Ende der Kerze brenne und bald abgebrannt sein werde.

 

Na, und worauf bin ich denn nun wirklich stolz? Ich kann und darf dazu sagen: daß ich so halbwegs anständig durchs Leben gegangen bin. Und: daß ich in diesem Sommer, also in meinem 77. Lebensjahr - nach überwundenem Herzinfarkt und Schlaganfall vor einigen Jahren und jetzt halt a bißl beschädigt - daß ich also in meinem 77 Lebensjahr heuer im Sommer 777 x 50 Meter Längen geschwommen bin; zielstrebig, zäh, eben mit Widerstand, der mir eigen ist, (auch gegen meinen sogenannten inneren Schweinehund)! Und so werde ich halt weiterschwimmen, so lange ich noch kann; und dies auch gegen den Strom.

 

Peter Paul Wiplinger

Wien, 8.10.2015

 

 

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