Die Arche Noah der Kroaten
Mit einem kleinen Symposion endet am 8. Dezember das 100-Jahr-Jubiläum der burgenländischkroatischen Wochenzeitung „Hrvatske novine“.
Auf dem Symposion wird die Diplomarbeit von Marin Berlakovich präsentiert, die die „Entstehung und Entwicklung der burgenländischkroatischen Wochenzeitung und ihre Bedeutung für die Sprache, Kultur und Identität der burgenländischen Kroaten“ untersucht. Die Bedeutung der „Hrvatske novine“ für die kroatische Volksgruppe im Burgenland, aber auch jenseits der ungarischen und slowakischen Staatsgrenze kann kaum überschätzt werden. Das Blatt ist bis zum heutigen Tag ein entscheidender Identitätsfaktor und ohne seine Existenz wäre die Volksgruppe möglicherweise „im deutschen Ozean“ untergegangen, wie Mate Meršić Miloradić, der größte Dichter der Burgenlandkroaten, befürchtete.
Als die „Hrvatske novine“ unter dem Titel „Naše novine“ (Unsere Zeitung) im Jänner 1910 erstmals erschienen, waren die heute in drei Staaten lebenden Burgenlandkroaten eine kaum beachtete und wenig selbstbewusste Minderheit im Westen des Königreichs Ungarn. Erster Erscheinungsort war Győr (Raab), als Chefredakteur firmierte ein Jurist in Sopron (Ödenburg) und die kroatischen Ortsnamen durften nur in Klammer nach den ungarischen angeführt werden. Der tatsächliche Chefredakteur Martin Meršić sen. musste sich bedeckt halten und ließ in seinem ersten Leitartikel die Zeitung selber sprechen. Seine Polemik gegen die „Ungläubigen und Freimaurer“ und gegen das „undankbare Geschäft der Politik“ trug allerdings deutlich die Handschrift eines katholischen Geistlichen.
„Ich liebe euch alle und möchte euch in brüderlicher Liebe vereinen“, ließ Meršić die Zeitung sagen. Ein Jahrzehnt nach der Gründung sollte das Anliegen noch brennender werden, denn als Deutschwestungarn 1921 der jungen Republik Österreich angeschlossen wurde, waren die dort seit dem 16. Jahrhundert ansässigen Kroaten tief gespalten. Die „Hrvatske novine“ hatten einen Anteil an der weit in die Zweite Republik reichenden Gleichsetzung von Kroaten, katholischer Kirche und christlichsozialer Orientierung in der Politik.
Die Kehrseite dieser Gleichsetzung war die kontinuierliche Assimilierung eines beträchtlichen Teils der Volksgruppe an die deutsche Mehrheitsbevölkerung. Einen Wendepunkt stellte erst die sozialdemokratische Ägide der Siebziger- und Achtzigerjahre dar, als Bruno Kreisky auch im Volksgruppenrecht neue Akzente setzte. Die „Hrvatske novine“ spiegeln die Veränderung deutlich wieder. Durch eine lebende Subvention von Bund und Land konnte ein hauptberuflicher Chefredakteur angestellt werden. Der Umfang der Wochenzeitung wuchs auf 28 Seiten pro Nummer an und bunte Fotos in erstklassigem Druck prägen heute das Erscheinungsbild.
Treibende Kraft ist der seit 1984 amtierende, aber nach ungebrochen dynamische Chefredakteur Petar Tyran. Die Sonderbeilage zum 100-Jahr-Jubiläum dokumentiert sein Konzept einer politisch neutralen Zeitung, die umfassend über alle Lebensbereiche der Volksgruppe berichtet und mit Nachdruck deren Interessen vertritt. Grußbotschaften burgenlandkroatischer Organisationen Ungarns und der Slowakei sowie von Institutionen des kroatischen Mutterlandes belegen die wieder möglich gewordene Kommunikation über Staatsgrenzen hinweg.
Tyran weiß auch, dass ein Printmedium heute über kein Monopol verfügt, und so kam in der Sonderbeilage auch der Leiter der Volksgruppenredaktion des ORF Burgenland zu Wort und wurde die Homepage der „Hrvatske novine“ modernisiert. Und während Ivica Mikula, der Vorsitzende des herausgebenden Kroatischen Pressevereins, beim Festakt in den renovierten Redaktionsräumen in Eisenstadt ein düsteres Bild der Lage der Volksgruppe zeichnete, erlaubt sich Petar Tyran gar von einer burgenländischkroatischen Tageszeitung zu träumen.
In der Tat kann man von einer zwiespältigen Lage der Burgenlandkroaten sprechen und die „Hrvatske novine“ sind dafür ein Sensor. Noch nie waren Angehörige der Volksgruppe in der Öffentlichkeit so präsent wie jetzt mit gleich zwei Bundesministern – Norbert Darabos von der SPÖ und Nikolaus Berlakovich von der ÖVP – sowie dem langjährigen Chefredakteur der katholischen Kirchenzeitung „Crikveni glasnik Gradišća“ Ägydius Zsifkovics als Bischof von Eisenstadt. Noch nie war es so nützlich wie jetzt Kroatisch zu können – Robert Szucsich etwa, einer der Vorgänger Petar Tyrans, leitete später das Österreichische Kulturforum in Agram.
Doch die Globalisierung ist einer auf mehrere Sprachinseln verstreuten Volksgruppe ohne eigenes Wirtschaftszentrum nicht gewogen; die zahlenmäßig ungleich stärkeren Zuwanderungsgruppen unserer Tage drängen die alteingesessenen ohne böse Absicht ins Abseits, was sich an der Gewichtsverlagerung grüner Politiker mit Migrantenhintergrund von Kroaten und Slowenen hin zu Türken und Griechen ablesen lässt. Und pauschal verfügte Sparmaßnahmen können kleine Volksgruppen schon mit der Streichung geringfügiger Subventionen empfindlich, ja tödlich treffen. Nicht zuletzt an den „Hrvatske novine“ wird sich erweisen, wie ernst es der Republik mit dem Schutz ihrer Volksgruppen ist.

Wolfgang Bahr

 

>> Wiener Zeitung - Die Arche Noah der Kroaten

Kategorije